Vortrag von Sabine Hadamik/IÖR, erschienen in epd medien Nr. 4/2019
Zur Bedeutung des Rundfunkbeitragsurteils für die Neuregelung der Telemedienangebote von ARD und ZDF
Mit seinem Urteil zum Rundfunkbeitrag vom 18. Juli 2018 hat das Bundesverfassungsgericht nicht nur im Wesentlichen die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkbeitrags festgestellt sondern auch zur Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Internet Stellung genommen und diesem die Funktion als Vielfalt sicherndes und dem Nutzer Orientierung bietendes Gegengewicht zu den privaten Anbietern und Angeboten zugewiesen.
Die Rechtsanwältin Sabine Hadamik formuliert auf der Grundlage dieses Urteils und seiner verfassungsrechtlichen Einordnung die Anforderungen an eine funktionsgerechte gesetzliche Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags im Internet: Notwendig sei ein starker öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der in einem marktwirtschaftlichen Umfeld publizistisch konkurrenzfähig ist und den Nutzerbelangen effektiv Rechnung tragen kann. Das bedeute, dass der Gesetzgeber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk auch die Möglichkeit einräumen muss, für seine Angebote die Darreichungsform zu wählen, mit der der jeweils zu vermittelnde Inhalt die Nutzer eines Angebots optimal erreichen kann.
Beschränkungen des öffentlich-rechtlichen Auftrags, die – wie das Verbot presseähnlicher Angebote – dem Schutz privatwirtschaftlicher Anbieter vor öffentlich-rechtlicher Konkurrenz dienen, seien zu diesen Anforderungen konträr, weil sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Wahrnehmung seiner zentralen Funktion als vielfaltssicherndes und Orientierung bietendes Gegengewicht zu marktwirtschaftlichen Anbietern behindern.
Hadamik kommt zu dem Schluss, dass das Verbot presseähnlicher Angebote, wonach der öffentlich-rechtliche Rundfunk verpflichtet wird, bei seinen Angeboten den Schwerpunkt auf Bewegtbild und Ton zu setzen, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine funktionsgerechte Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Auftrags im Internet nicht Rechnung trägt:
Das Bundesverfassungsgericht habe eine Unterbindung des publizistischen Wettbewerbs durch Programmverbote für öffentlich-rechtliche Anstalten als unangemessen bewertet, da private Anbieter keine hinreichende Meinungsvielfalt böten.
Die Fokussierung auf Bewegtbild und Ton werde zudem dem hybriden Charakter der Online-Kommunikation nicht gerecht. Das Verbot sei konträr zu den Nutzerbedürfnissen konzipiert.
Studien belegten, dass beispielsweise bei der Rezeption von Online-Nachrichten in allen Altersgruppen das Lesen von Texten sehr deutlich gegenüber dem Anschauen von Videos überwiegt.
Der Nutzer werde durch das Verbot presseähnlicher Angebote darin beschränkt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter den veränderten Rezeptionsbedingungen der Digitalisierung als vertrauenswürdige Alternative zu nutzen. Darin liege nicht nur eine Beschränkung der Wahlmöglichkeit des Nutzers. Dem Nutzer werde insoweit auch das Äquivalent für seinen Rundfunkbeitrag versagt, auf das er nach dem Rundfunkbeitragsurteil einen Anspruch hat.
Bleibe es bei der jetzigen Regelung, müsse diese, wie dies auch schon bei dem bisher geltenden Verbot presseähnlicher Angebote für notwendig erachtet wurde, im Wege verfassungskonformer Auslegung konkretisiert werden. In diesem Kontext komme der von den Rundfunkanstalten und den Spitzenverbänden der Presse nach dem 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrag einzurichtende Schlichtungsstelle eine ganz besondere Bedeutung und Verantwortung zu, weil nach den Vorstellungen des Gesetzgebers Auslegungsfragen zum Verbot der Presseähnlichkeit in der Schlichtungsstelle geklärt werden sollen.
Dabei werde sehr darauf zu achten sein, dass Verständigungen zur Auslegung dieses Verbots transparent sind und sich im Rahmen einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung dieser Verbotsnorm bewegen.
Die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Anforderungen an eine vielfältige Kommunikationsordnung, die dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine tragende Rolle als vielfaltssicherndes Gegengewicht zu privatwirtschaftlichen Angeboten zuweisen, stehen – wie Hadamik anmahnt – nicht zur Disposition der hier verhandelnden Parteien.
Im Übrigen habe das Bundesverfassungsgericht im anhängigen Verfassungsbeschwerdeverfahren des Norddeutschen Rundfunks (NDR) gegen zivilgerichtliche Entscheidungen zu streitgegenständlichen Ausgestaltungen der Tagesschau-App und den ihr zugrunde liegenden Normen die Möglichkeit, mit Blick auf das Verbot der Presseähnlichkeit weitere Klarstellungen vorzunehmen.
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.