Gemeinsam mit annähernd 30 anderen Verbänden hat der Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk einen offenen Brief an die Rundfunkkommission der Länder unterzeichnet.
Es kann nicht sein, dass die Medienpolitik ausgerechnet bei der dringend notwendigen Reform der ö/r Anstalten, die wir für den Erhalt und die Förderung unserer Demokratie als essentiell erachten, einen Dialog auf Augenhöhe mit Programm- und Medienmacher*innen für überflüssig hält.
Als breite Allianz aus Medienschaffenden und zivilgesellschaftlichen Kräften können wir konstruktive und kritische Unterstützung leisten, ohne die eine Reform der Anstalten kaum gelingen kann. Das geschieht nicht in Konkurrenz zu dem jüngst eingesetzten „Zukunftsrat“, sondern diesen ergänzend.
Wir sind überzeugt: Unsere ö/r Medien werden nur auf einer breiten Legitimationsbasis bestehen können. Daher wollen wir diesen Prozess gemeinsam verbessern und verstetigen.
Im Mai 2023 haben wir uns mit einem Offenen Brief (als pdf zum Download) an alle Mitglieder der Rundfunkkommission gewandt, um hier endlich einen Schritt weiterzukommen.
Bedarfsanmeldung für einen ständigen Medienkonvent
Werte Mitglieder der Rundfunkkommission der Länder,
gerade haben die ö/r Anstalten ihren Finanzbedarf bei der KEF gemeldet. Ein guter Moment für uns Unterzeichner*innen dieses Offenen Briefes für eine Bedarfsanmeldung der besonderen Art:
Wir fordern eine angemessene Beteiligung am aktuellen Reformprozess der ö/r Medien
Als breite Allianz aus Medienschaffenden und zivilgesellschaftlichen Kräften können wir konstruktive und kritische Unterstützung leisten, ohne die eine Reform der Anstalten kaum gelingen kann. Das geschieht nicht in Konkurrenz zu dem von Ihnen eingesetzten „Zukunftsrat“, sondern diesen ergänzend. Unsere ö/r Medien werden nur auf einer breiten Legitimationsbasis bestehen können. Daher wollen wir diesen Prozess gemeinsam verbessern und verstetigen.
- Als Medienmacher*innen wissen wir: Eine gelungene Geschichte ist immer eine Symbiose aus Form und Inhalt. Beratungen über die Reform der ö/r Medien lediglich einigen wenigen Expert*innen zu überlassen, verfehlt den Reformansatz schon a priori. Wir bedauern außerordentlich, dass die Berufung des „Zukunftsrates“ in einem parteipolitisch motivierten, intransparenten Prozess erfolgt ist.
- Wir stellen die Kompetenz einzelner Mitglieder des Zukunftsrates nicht in Frage, halten die Zusammensetzung des Gremiums aber für unausgewogen und lückenhaft. Ein kleines Expert*innengremium wird die derzeitige Krise der ö/r Anstalten nicht lösen können. Dafür braucht es unserer Ansicht nach eine weit größere Debatte. Es fehlen beispielsweise Expert*innen zu den Themen Digitalisierung und Technologie, Vertreter*innen der Kreativen und der Redakteur*innen aus den Anstalten. Zudem ist das Gremium nicht ansatzweise divers im Sinne der „Charta der Vielfalt“ aufgestellt. Für welche Gesellschaft soll dieses Gremium denn arbeiten, wenn bei der Besetzung Diversitätsmerkmale, wie z.B. von den Neuen Deutschen Medienmacher*innen seit Jahren gefordert, keine Rolle spielen?
- Als Programmacher*innen und Medienschaffende verstehen wir uns als diejenigen, die das ö/r Mediensystem de facto betreiben. Wenn unsere Expertise, die sich auf alle Bereiche der Medienproduktion bezieht, in den Reformgesprächen nicht berücksichtigt wird, werden alle Reformvorschläge zum Scheitern verurteilt sein.
- Als Akteur*innen der Zivilgesellschaft (vertreten z.B. durch die Initiative „Unsere Medien“ oder den „Bund der Steuerzahler“) sehen wir uns, symbolisch, als Eigentümer unserer Medien. Der jetzt eingesetzte Zukunftsrat ist ein erster Schritt, kann aber nicht für ausreichend erachtet werden. Wenn die Zivilgesellschaft hier nicht miteinbezogen wird, wäre dies eine vergebene Chance, das derzeit verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Ein Dialog über die Zukunft unserer ö/r Medien sollte die Perspektive des Publikums unbedingt mit einbeziehen, wenn wieder gesellschaftliche Akzeptanz erreicht werden soll.
- Tatsächlich mangelt es allgemein nicht an Ideen und Erkenntnis. Initiativen, Verbände, Interessengruppen, Wissenschaftler*innen haben bereits verschiedenste Szenarien vorgelegt, die wir gerne auch jetzt schon mit Ihnen teilen wollen. Uns scheint: Es gibt ein Schnittstellen- und Umsetzungsproblem. Der jetzt berufene Zukunftsrat kann daher bestenfalls einen fortlaufend und parallel weiterzuentwickelnden Prozess anstoßen, der ständig mit anderen Lesarten abgeglichen werden sollte.
#UnsereMedienMitgestalten:
Die folgenden fünf Denkanstöße sind Arbeitshypothesen für die Zukunft unserer ö/r Medien:
- Ein erneuerter Auftrag erhält Zielvorgaben für die Transformation zu einem digitalen und dialogfähigen ö/r Mediensystem.
- Die Gemeinwohlorientierung des ö/r Systems verlangt, dass alle Entscheidungen der Anstalten über Inhalte, Produktionsweisen, Organisations- und Kommunikationsstrukturen öffentlich transparent und nachvollziehbar gemacht werden.
- Ein erneuerter Auftrag bricht mit hierarchischen Abhängigkeiten und Gewohnheiten im Management der Anstalten. Im Innern der Anstalten stärken Redaktionsstatute und satzungsmäßig festgelegte Verfahren die redaktionelle Unabhängigkeit der Journalist*innen und deren Mitwirkung bei Programmfragen. Ein senderunabhängiger Medieninnovationsfonds entwickelt und testet kontinuierlich Verfahren und Instrumente für ein ö/r Medienangebot der Zukunft. Er wird, analog zu den Landesmedienanstalten, aus einem Beitragsanteil finanziert, der außerhalb der Verantwortung der Anstalten vergeben wird.
- Das Konzept der Aufsicht wird neu überdacht und erneuert, etwa durch professionell vorbereitete Entscheidungen in kleineren Gremien.
- Zusätzlich sorgt eine erweiterte Bürgerbeteiligung dafür, dass das Publikum an der Kommunikation über Inhalte und die Organisation des Angebots Anteil nehmen kann. Denkbar ist etwa die periodische Einberufung von Bürgerräten bei der Programmplanung und -evaluierung. Mediatheken bieten künftig angemessene Möglichkeiten zum Feedback.
Wir fordern Sie und Ihre Kolleg*innen in der Rundfunkkommission deshalb auf:
- Einen transparenten, breiten deliberativen Prozess in Gang zu setzen, um einen umfassenden Medienkonvent zu ermöglichen. Er ist unabdingbar, um die Erneuerung des ö/r Grundgedankens glaubhaft machen zu können.
- Unverzüglich mit uns gemeinsam eine Plattform zu schaffen, um über Reformkonzepte ins Gespräch zu kommen.
- Ressourcen bereitzustellen, um transparente Strukturen zu schaffen, die für umfassend gedachte Beteiligungsformate notwendig sind.
Ihre Antwort erwarten wir gespannt.
Presseecho
https://taz.de/Zukunftsrat-fuer-Oeffentlich-Rechtliche/!5914850/
Comments are closed, but trackbacks and pingbacks are open.