Facebook, Google & Co bedrohen die demokratische Meinungsbildung.
Öffentlich-rechtliche Medien müssen verstärkt im Internet präsent sein und wettbewerbsfähig ausgestattet werden.
Welche Herausforderungen sich für den gemeinwohlorientierten, öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Netz ergeben, diskutierten Medienvertreter und Wissenschaftler auf einem Symposium, das der Initiativkreis öffentlich-rechtlicher Rundfunk (IÖR) gemeinsam mit der Stadtbibliothek Köln am 26. November veranstaltet hat.
In der gut besuchten Veranstaltung widmete sich der Karlsruher Professor für Technikphilosophie und Technikethik und Leiter des Technikfolgenabschätzungsbüros beim Deutschen Bundestag, Armin Grunwald, der Frage, welche Bedrohungen für die Demokratie durch die großen Internetkonzerne wie Facebook, Google & Co. heute feststellbar seien.
Er erinnerte an die anfänglichen mit dem Internet verbundenen Hoffnungen und Utopien, durch die neuen hierarchiefreien Kommunikationsmöglichkeiten die Demokratie lebendiger und stärker zu machen. So könnte z.B. die Macht der professionellen Journalisten und Medien als Gatekeeper in der analogen Welt verringert werden, wenn jeder sich selbst zu Wort melden könne. In der Realität sei jedoch eine solche Informationsüberflutung entstanden, dass sich neue Gatekeeper gebildet haben, nämlich die großen Internetkonzerne, die mit intransparenten Algorithmen Informationen steuerten und damit die Meinungsbildung beeinflussten, ohne dass die Nutzer dies wahrnehmen könnten. Dies geschehe zudem ohne demokratische Kontrolle. Eine Bedrohung einer freien Gesellschaft sieht Grunwald auch darin, dass z.B. Facebook seine Nutzer wie Sektenmitglieder behandle. Sie sollen sich dort so wohl fühlen, dass sie sich gar nicht mehr vorstellen könnten, nicht mehr dabei zu sein.
Grunwald warnte auch vor der „Rhetorik der Optimierung“. Algorithmen könnten nicht die beste Lösung für eine Gesellschaft ausrechnen, da es diese nur in einer Diktatur gebe. In der Demokratie müsse das Gemeinwohl immer wieder neu ausgehandelt werden. Kritisch sieht Grunwald auch die Parole, dass wir uns fit für die Digitalisierung machen müssten. Die Digitalisierung sei kein unveränderbarer Prozess, sondern müsse von Politik und Gesellschaft demokratieverträglich gestaltet werden.
Im zweiten Referat widmete sich der Leiter des Public-Value-Kompetenzzentrums des Österreichischen Rundfunks (ORF) Dr. Klaus Unterberger der Frage, vor welchen Herausforderungen der gemeinwohlorientierte öffentlich-rechtliche Rundfunk heute steht. Er stellte die Betriebsumsätze der 10 größten Internetkonzerne von 654 Mrd. Euro den öffentlich- rechtlichen Medien in Europa mit 36 Mrd. gegenüber, einem Verhältnis von 1:18. Auch die Betriebsumsätze privater Rundfunkanbieter seien gestiegen, während die Betriebsumsätze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks annähernd gleich geblieben seien. Angesichts dieser Marktmacht der kommerziellen Anbieter müssten sich die öffentlich-rechtlichen Medien in Europa auf ihre Stärken besinnen und die Unterscheidungsmerkmale zu den kommerziellen Medienunternehmen und Internetkonzernen deutlicher herausstellen. Die öffentlich-rechtlichen Medien folgten nicht einer „Marktlogik“, sondern einer „Demokratielogik“. Sie erfüllten eine öffentliche Aufgabe und verfolgten kein Geschäftsmodell.
Sie seien ihren Stakeholdern, den Bürger*innen, und nicht Shareholdern verpflichtet. Die öffentlich- rechtlichen Medien gehörten zur „Infrastruktur“ und seien nicht das „Feigenblatt“ einer demokratischen Medienordnung. Unterberger plädierte nachdrücklich dafür, dass die öffentlich- rechtlichen Medien ein „Gesamtangebot“ anbieten müssten. „Öffentlich-rechtlich finanzierte Public-Value-Inhalte müssen im Interesse einer positiven gesellschaftlichen Wirkung ein möglichst großes Publikum erreichen, also Reichweite erzielen. Dazu müssen sie in ein attraktives Gesamtangebot eingebettet werden, etwa durch die Verknüpfung mit fiktionaler Unterhaltung, mit populärer Musik im Radio oder die Nutzung entsprechender Möglichkeiten der Online Medien.“ (DIW-Studie 2016) Nur die öffentlich-rechtlichen Medien unterlägen einer vielfachen Kontrolle zur Sicherung ihrer Glaubwürdigkeit und von Qualitätsjournalismus. Eine Transformation ins digitale Zeitalter verlange von den öffentlich-rechtlichen Medien Innovation, Kooperation und Allianzfähigkeit.
Unter der Moderation der freien Medienjournalistin Brigitte Baetz setzten sich der Programmgeschäftsführer des Online-Medienangebots von ARD und ZDF für junge Leute „funk“, Florian Hager, und die Podcasterin und Social-Media-Redakteurin Nora Hespers mit den Thesen der Referenten auseinander.
Hager hält es bei öffentlich-rechtlichen Angeboten im Netz für zentral, dass man als Netz- werk antrete und auch Videos über Drittplattformen verbreite. Das Smartphone sei mehr und mehr das Endgerät. An Hand praktischer Beispiele erläuterten die beiden erfolgreichen Netzaktivisten, dass es gerade im Netz der Auftrag sei, nahe an die Lebenswirklichkeit der jugendlichen Nutzer/innen her- anzukommen. Junge Leute müssten daher stärker an der Herstellung der Netzangebote beteiligt werden. Nora Hespers betont, dass sich der Journalismus zu einem Kommunikationsberuf entwickelt, bei dem es eben nicht mehr nur darauf ankommt zu senden, sondern das Gesendete auch mit Hörerinnen, Lesern und Zuschauerinnen zu diskutieren. Wichtig sei die Wertschätzung dieser Kommunikation innerhalb der Redaktionen, es sei aber auch eine Frage der zur Verfügung stehenden Mittel. Denn die one-to-many-Kommunikation in den sozialen Netzwerken (eine Social Media Redakteurin steht hunderten, wenn nicht tausenden Kommentierenden gegenüber), erfordert personelle wie finanzielle Ressourcen. Der Druck von unten auf die öffentlich-rechtlichen Medien sei da, es müsste nur oben (in den Chefetagen) die Tür aufgehen und mehr Mittel in digitale Angebote gelenkt werden. Unterberger wies darauf hin, dass Medienqualität auch online nicht gratis zu haben sei.
Der Medienrechtler Professor Dieter Dörr wies darauf hin, dass es Aufgabe der Gesetzgeber in den Bundesländern sei, vorherrschende Meinungsmacht zu verhindern und daher auch für das Internet ein Recht geschaffen werden müsse, dass der notwendigen Vielfaltssicherung Rechnung trägt. Er erinnerte daran, dass dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Netz starke Beschränkungen auferlegt worden seien, die erst in diesem Jahr teilweise aufgehoben wurden. Angesichts der Meinungsmacht der Intermediäre müsse, so Dörr, auch der Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestärkt und ausgebaut werden und er müsse publizistisch überall dort präsent sein können, wo die Nutzer sind.
Die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte wachsende Bedeutung des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks, der zu den kommerziellen Angeboten im Internet ein vielfaltssicherndes Gegengewicht bilden müsse, hatte auch die Vorsitzende des IÖR Frau Professorin Bock-Rosenthal in ihrer Begrüßung hervorgehoben. (Pressemeldung (pdf, 130 KB) als Download)
Medienspiegel
- Angeklickt: Bedrohen Facebook, Google und Co. unsere Demokratie? (Aktuelle Stunde. 29.11.2019. 04:14 Min.. UT. Verfügbar bis 29.11.2020. WDR. Von Jörg Schieb)
- Digitalistan Blogeintrag ( Von Jörg Schieb am 30.11.2019 )
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